Frankreich reformiert seine Gerichtsbarkeit und das Verfahrensrecht in Zivil- und Handelssachen

Der französische Gesetzgeber hat mit dem Gesetz vom 23. März 2019 eine umfassende Reform der Zivil-und Handelsgerichtsbarkeit beschlossen (Loi du 23 mars 2019 de programmation 2018-2022 et de réforme pour la justice). Hierzu wurde nunmehr die Umsetzungsverordnung veröffentlicht (Décret n° 2019-1333 du 11 décembre 2019 réformant la procédure civile; zum französischen Gesetzgebungsverfahren und der Rolle von Gesetz und Umsetzungverordnung, s. Neumann/Berg, Einführung in das französische Recht, 1. Aufl., Nomos 2019, Rz. 87). Während der wesentliche Teil der Reformen zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt, gilt dies für einige Vorschriften erst zum 1. September.

Ab dem 1. Januar 2020 gelten in Frankreich insbesondere die folgenden Regeln. Die Amtsgerichte sind abgeschafft und gehen in den nunmehr „Tribunal judiciaire“ (vormals „Tribunal de Grande Instance“) genannten Landgerichten auf. Die entsprechenden Zuständigkeiten werden übertragen. Vor dem Tribunal judiciaire herrscht Anwaltspflicht (représentation obligatoire) und das Verfahren ist schriftlich (procédure écrite), jedoch gilt beides nicht, wenn der Streitwert unter 10 000 € liegt, sowie in gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen (ratione materiae).

Argumente, die die Zulässigkeit der Klage (recevabilité) betreffen, müssen nunmehr bereits in der Aufbereitungsphase des Verfahrens (mise en état) vorgetragen werden. Dies betrifft etwa mangeldes Klageinteresse (défaut d’intérêt) oder die Verjährung des Anspruchs (prescription). Der Zulässigkeitsstreit wird per Einzelrichter oder kollegial entschieden. Ist diese Verfahrensetappe abgeschlossen, kann die Zulässigkeit der Klage idR nicht mehr bestritten werden.

Von besonderer Bedeutung ist ferner, dass Entscheidungen der ersten Instanz nunmehr stets vorläufig vollstreckbar (exécutoire par provision) sind, es sei denn, das Gericht entscheidet von Amts wegen oder auf Antrag anders.

Erst mit Wirkung zum 1. September 2020, tritt die Reform des Klagevorganges in Kraft. Während heute in der Klageschrift (assignation) idR noch ohne vorab festgelegtem Gerichtstermin geklagt wird, gilt fortan, dass der Kläger beim jeweiligen Gericht (Zivil-oder Handelsgericht) einen Termin einholt und die Gegenseite in der Klageschrift dazu auffordert, am jeweiligen Termin bei Gericht zu erscheinen. Damit hat sich die bislang insbesondere auf die Amts- und Handelsgerichte beschränkte Vorgehensweise im allgemeinen Recht durchgesetzt.

OB (Rechtsanwalt in Paris)